Schwarz-weiße Bildsymbolik. |
Das Hamburger Wißmann-Denkmal im |
Vergleich zu Entwürfen in der damaligen Zeit |
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Denkmäler können als Zeichen des Geschichtsbewusstseins wichtige Aufschlüsse geben über zeitgenössische Mentalität, Haltung und Imagination. |
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Deutsche Kolonialdenkmäler zeigen, sofern es figurative Darstellungen sind, zumeist 'Kolonialhelden'. Das Hamburger Wißmann-Denkmal ist eines der wenigen kolonialen Monumente, bei denen auch ein Afrikaner im Bildprogramm auftaucht; diesem wird jedoch nur eine untergebene Rolle zugestanden. Die Figur des schwarzen Askari-Soldaten am Sockelfuß soll seinen weißen 'Herrn' noch mächtiger erscheinen lassen. Ganz offensichtlich wollten die Denkmalstifter die Hierarchie zwischen 'Schwarz' und 'Weiß' auf Dauer festschreiben. In heutiger Lesart vermittelt das ursprüngliche Denkmal eine anmaßend rassistische Botschaft. Die in diesem Projekt zur Schau gestellten Beschädigungen und Spuren der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen an der Wißmann-Figur brechen jedoch die hierarchische Darstellungsweise. |
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Zwischen den Weltkriegen wurde das Ensemble vor der Universität Hamburg zu einem zentralen Wallfahrtsort für die Kolonialbewegung. Ihm kam eine ungleich wichtigere Rolle zu als dem zweiten Wißmann-Monument in Bad Lauterberg/Harz, das bis heute am Standort erhalten ist. |
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Während der Zeit des Nationalsozialismus hielt die Kolonialschwärmerei an. Sie fand ihren Niederschlag in der Errichtung neuer Kolonialdenkmäler. Zwei Monumente aus dieser Zeit befinden sich in Hamburg: das Kriegerdenkmal 'Deutsch-Ost-Afrika/Schutztruppe' im sog. 'Tansania-Park' in Hamburg-Jenfeld und das 'Deutsch-Ostafrikaner-Gedächtnismal' in Hamburg-Aumühle. Beide suggerieren ebenfalls die Überlegenheit des 'weißen Mannes' gegenüber schwarzen Soldaten und Trägern, denen abermals nur eine nachgeordnete Rolle zugeschrieben wird. |
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Alle drei Denkmalensembles befinden sich in Hamburg, obwohl das 'Deutsch-Ostafrikaner-Ehrenmal' zunächst für einen anderen Standort vorgesehen war. Nirgends sonst finden wir in Deutschland Denkmäler, die die koloniale Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Menschen direkt ins Bild setzen.1) |
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Die Legende vom 'treuen Askari', die von der Kolonialbewegung erfunden und von den Nationalsozialisten übernommen wurde, sollte - beschworen in Denkmälern und in Groschenromanen - suggerieren, dass sich die Afrikaner nach ihren vormaligen deutschen Kolonialherren zurücksehnen. Diese Propaganda galt der geplanten Rückeroberung der ehemaligen deutschen Kolonien. |
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Aufschlussreich ist auch die Betrachtung von vormaligen Denkmalsentwürfen. Neben dem 'treuen Askari' erscheint eine weitere Bildsymbolik, so etwa in Modellen, die namhafte Bildhauer 1910 - kurz nach dem Kolonialkrieg 1904 - 1908 - für den Wettbewerb zur Errichtung eines Kolonialkriegerdenkmals in Windhoek, 'Deutsch-Südwestafrika' einreichten. Drastisch und menschenverachtend haben Bildhauer das Verhältnis zwischen 'Schwarz' und 'Weiß' in Szene gesetzt. Neben Wettbewerbsbeiträgen mit Bildern von triumphierenden, trauernden oder sterbenden deutschen Schutztruppensoldaten finden wir Darstellungen, die die Übermacht der 'Schutztruppe' über die Kolonisierten in Szene setzen. Der imaginierte Afrikaner erscheint hier nicht mehr als ein seinem weißen Herrn loyal ergebener Askarisoldat. Jetzt steht ein deutliches Feinbild im Vordergrund, das physische Unterdrückung und gnadenlose Vernichtungphantasien einschließt. |
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Die ursprüngliche Absicht, den deutschen Soldaten, die bei der Bekämpfung des Herero- und Nama-Aufstandes 1903-1907 fielen, in Windhoek ein Trauermal zu errichten, wurde zugunsten eines imperial auftrumpfenden Siegessymbols aufgegeben. Nach der Niederschlagung der 'Aufstände' der Herero und Nama sollte das neue Reiterdenkmal der afrikanischen Bevölkerung als Warnung und als Zeichen deutscher Vormachtstellung vor Augen gestellt werden. Die Jury befürwortete schließlich eine Lösung, die auf den ersten Blick neutraler erschien als die martialischen Darstellungen etwa von O. Riesch oder H.W. von Glümer. |
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Der überarbeitete Entwurf des Berliner Bildhauers Adolf Kürle - dieser hatte auch das Hamburger Wißmann-Denkmal realisiert - gewann den Wettbewerb. Noch heute steht der 'Reiter von Südwest' im Stadtzentrum der namibischen Hauptstadt Windhoek. Ein deutscher 'Schutztruppenreiter' thront auf seinem Pferd hoch oben auf dem Sockel. Damals signalisierte er, stets bereit zu sein zum Kampfe gegen neue Rebellionen, die die Macht der Weißen in Frage stellen könnten. Auf seinem Oberschenkel aufgepflanzt hält er sein Gewehr. |
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Dass das Windhoeker Reiterdenkmal als ein Siegesmal gedacht war und es den Macht- und Besitzanspruch des Deutschen Reiches über Land und Leute in der Kolonie demonstrieren sollte, machte Gouverneur Seitz 1912 in seiner Rede anlässlich der Einweihung des Monuments unmißverständlich deutlich: "Der eherne Reiter der Schutztruppe, der von dieser Stelle aus in das Land blickt, verkündet der Welt, daß wir hier die Herren sind und bleiben werden."2) |
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Das Denkmal ist nach wie vor umstritten, glorifiziert es doch das erbarmungslose Vorgehen und den Sieg der ehemaligen deutschen Kolonialherren. |
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"Nach der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990 kam es nicht zu dem von vielen Weißen befürchteten Denkmalsturz. Die Zerstörung alter kolonialistischer Herrschaftssymbole wurde in dem jungen Staat Namibia bzw. von der neuen SWAPO-Regierung nicht als Voraussetzung für den politischen Neuanfang gesehen. Bis heute haben jedoch zahlreiche Straßenumbenennungen in fast allen Städten Namibias stattgefunden."2) Es sind zudem neue Denkmäler errichtet worden, die nun an die Geschichte des Kampfes der Namibier um Unabhängigkeit von kolonialer Bevormundung erinnern. In dem seit 1990 unabhängigen Namibia hält die Debatte über das Reiterdenkmal an.3) |
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Eine dritte Variante schwarz-weißer Bildsymbolik stellt ein Wettbewerbsentwurf für ein nationales Kolonialdenkmal in Berlin dar. 1914 reichte der Bildhauer Adolf Brütt ein Modell (Bild ganz unten) ein, das eine nackte, weiße Reiterfigur hoch oben auf seinem Pferd thronend zeigt. Sein Schwert steckt im Schaft. Dieser idealisierte 'Reiter' 5) wird als Herr über die besiegten Afrikaner dargestellt, die unten am Sockel abgebildet sind. Es wird ein harmonisiertes Miteinander suggeriert, das eine klare rassische Hierarchie zwischen Schwarz und Weiß voraussetzt. 5) |
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Der Entwurf Brütts ist unterschiedlich gedeutet worden. Der Kunsthistoriker Cornelius Steckner sah hier eine mehr oder weniger versteckte Kritik an der deutschen Kolonialherrschaft, da ihn die Figuren der Afrikaner an das Relief 'Schnitter' des Künstlers Constantin Meunier erinnerten - ein Brüsseler Arbeiterdenkmal mit einer Darstellung moderner 'Industriesklaven'.5) Joachim Zeller bezweifelt diese These zurecht. Seiner Auffassung nach versinnbildlicht das Denkmal die pax colonialica, den kolonialen Frieden, wie ihn sich Kolonisatoren vorstellten und wünschten. |
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Die Afrikaner sind nach dieser Auffassung keine 'treuen Askari' mehr und auch keine Feinde. Die Attribute im Brüttschen Modell lassen weitere Deutungen zu. Der mächtige Elephantenstoßzahn, den die Afrikaner tragen, scheint ihnen die Rolle von dienstbaren Rohstofflieferanten zuzuschreiben. Elfenbein war eine begehrte 'Kolonialware' (> Firma H.C. Meyer, global players 3). |
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Die dritte Sockelfigur zeigt eine schwarze Frau mit ihrem Kind und erinnert an skulpturale Darstellungen deutscher Familienidylle in Zeiten - etwa nach den Weltkriegen - in denen es volkswirtschaftlich erwünscht erschien, dass viele Kinder geboren werden. Steht also das afrikanische Frau-Kind-Symbol für den Wunsch der Weißen nach höheren Geburtenraten unter den 'Eingeborenen'? |
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In der Kolonialwirtschaft machte man sich Sorgen um die 'Erhaltung der Arbeitskraft' der Kolonisierten. In Folge der Kolonialkriege in 'Deutsch-Südwestafrika' und 'Deutsch-Ostafrika' waren große Teile der afrikanischen Bevölkerung getötet und ums Leben gekommen, was einen notorischen Arbeitskräftemangel in der Kolonialwirtschaft zur Folge hatte. Verheerende Krankheiten und Epidemien (Schlafkrankheit, Lepra, Malaria, Fleckfieber u.a.) rafften zusätzlich viele Menschen dahin. Bei der Bekämpfung von Seuchenkrankheiten wurde die sog. 'Eingeborenen- und Arbeiterfrage' denn auch ein wichtiges Forschungsziel an den Tropenmedizinischen Instituten. 1913 stiftete die 'Eduard-Woermann-Preisaufgabe' dem Hamburger Kolonialinstitut (heute Universität Hamburg) einen Preis von 6000,-- Reichsmark für die beste Untersuchung der Frage: "Durch welche praktischen Maßnahmen ist in unseren Kolonien eine Steigerung der Geburtenhäufigkeit und Herabsetzung der Kindersterblichkeit bei der eingeborenen farbigen Bevölkerung - dem wirtschaftlich wertvollsten Aktivum - zu erreichen?"6) Auch dem Staatsekretär des Reichskolonialamtes, Berhard Dernburg, war es daran gelegen, "die 'Kräftigung' und 'Vermehrung' des 'Hauptgrundstocks des nationalen Kolonialvermögens' des 'Negers'"6) zu fördern. |
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Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges scheiterte das Vorhaben für die Errichtung eines Kolonialkriegerdenkmals in Berlin. Alle auf dieser Seite dargestellten Denkmalsentwürfe sind nicht realisiert worden, doch sie zeugen von damaligen Künstlerphantasien und politischen Intentionen der Denkmalstifter. |
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1) Eine ausführliche Analyse der Wettbewerbsbeiträge für den 'Reiter von Südwest' in: Joachim Zeller: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur, IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt 2000. In seinem Buch hat Joachim Zeller 175 Kolonialdenkmäler zusammengetragen. |
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2) Joachim Zeller: Das Reiterdenkmal in Windhoek,Namibia. Die Geschichte eines deutschen Kolonialdenkmals. www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Zeller-Reiterdenkmal-1912.htm |
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3) Mehr zum > Windhoeker Reiterdenkmal ('Reiter von Südwest') |
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4) Die Modellabbildungen für den 'Reiter' in 'Der Tag', 13.03.1910 in: Zeller 1), S. 116, Photos: Sammlung Joachim Zeller |
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5) Joachim Zeller: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein, S. 98 ff. |
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6) Heiko Möhle (Hg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika - eine Spurensuche in Hamburg, Verlag Libertäre Assoziation, 1999, S. 102 |
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