- Unten und oben, klein und groß -
- das Bildhafte am Wißmann-Denkmal
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- Das Denkmal des Bildhauers Adolf Kürle zeigt als Sockelfigur den in die Weite blickenden Reichskommissar in der einstigen Kolonie 'Deutsch-Ostafrika' (heute Tansania, Ruanda, Burundi) Hermann von Wißmann, zu seinen Füßen steht ein Schwarzer Askarisoldat der 'Wißmanntruppe', der zu seinem 'weißen Herrn' emporblickt und die Reichsfahne über einen toten/erlegten Löwen senkt.
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- Das Ensemble lässt unterschiedliche Interpretationen zu. Askarisoldat und Löwe symbolisieren Wißmanns vermeintliche koloniale Allmacht über Mensch und Tier; die Figur des Löwen erinnert sicherlich auch an Wißmanns Leidenschaft als Großwildjäger. Seine Verehrer gaben Wißmann den Beinamen 'Löwe von Afrika' (diese Ehrenbezeichnung bekam in Kolonialkreisen auch Paul von Lettow-Vorbeck). Die gesenkte Reichsflagge deutet auf einen Beerdigungsritus hin: die Fahne wird in militärischen Ehren über den Sarg ausgebreitet.
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- Das Monument zeigt in wilhelminisch-pathetischer Manier eine kolonialrassistisch überhöhte Hierarchie zwischen dem afrikanischen Soldaten und dem Kolonialkrieger. Die Blickrichtungen verstärken den Eindruck des Herr-Diener-Verhältnisses, ebenso die Größenverhältnisse: die Figur Wißmanns ist 2,60 Meter groß, der Askari bloß 1,70 Meter.
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- Tatsächlich waren die afrikanischen Askari der kolonialen 'Schutztruppe' Ziel rassistischer Anfeindungen. Im Vergleich zu den weißen deutschen Soldaten war ihr Sold niedriger. Bei geringen Vergehen wurden sie mit Peitschenhieben bestraft. Aufgrund der schlechten Behandlung und des harten Alltags auf nicht nur Wißmanns 'Strafexpeditionen' ins Landesinnere (Politik der Verbrannten Erde) desertierten zahlreiche der afrikanichen Söldner - eine historische Tatsache, die den Kolonialmythos von der unbedingten 'Treue der Askari' ad absurdum führt. In Kolonialdenkmälern wird diese vermeintliche 'Treue' oft beschworen (s. auch das 'Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal' in Hamburg-Jenfeld und das 'Deutsch-Ostafrikaner-Ehrenmal' in Hamburg-Aumühle), die Realität im Kolonialkrieg sah indes anders aus.
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- Herrenmenschengehabe: dem weißen deutschen Soldaten bleiben die Füße trocken. Zahlmeister Fritsch lässt auf den Schultern von Askari durch die Sümpfe tragen. (Detail / Photo: Bildbestand der Dt. Kolonialgesellschaft, UB Frankfurt/M., Photograph: Kommandeur der 'Schutztruppe' Kurt von Schleinitz, 1904/1907, vermutlich während des antikolonialen Maji-Maji-Krieges in 'Deutsch-Ostafrika')
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- Im Kriegsalltag weit weniger entschlossen und heldenhaft als auf den Kolonialdenkmälern abgebildet: erschöpfte Askari und (vielfach zwangsrekrutierte) Träger müssen den lang andauernden Krieg der deutschen Kolonisten für 'Kaiser und Reich' fortführen. (Photo: Bildbestand der Dt. Kolonialgesellschaft, UB Frankfurt/M., 'Deutsch-Ostafrika', Enstehungsjahr unbekannt. Text auf der Hülle: "Askari nach vierjährigem Kampf")
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- Mohamed Hussein Bayumes Vater Adam Mohamed kämpfte in der 'Wißmanntruppe'. Er selbst diente im Ersten Weltkrieg als Kindersoldat unter dem Kommando von General Lettow-Vorbeck in 'Deutsch-Ostafrika'. Mitte der 20er Jahre kam er nach Deutschland, um seinen ausstehenden Sold einzufordern. Mohamed Hussein Bayume wurde 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet.1)
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- Für Schwarze Menschen in Deutschland war der Weg zu vielen Berufszweigen verschlossen. Mohamed Hussein Bayume verdingte sich als Kellner und Sprachlehrer. Er wurde als Schauspieler für Spielfilme engagiert, wobei er die Nebenrolle als Diener oder wie im Bild als Askarisoldat spielen musste. (Detail / Photo: Bildbestand der Dt. Kolonialgesellschaft, UB Frankfurt/M., vermutlich 1938)
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- Obwohl aus schwerem, 'ewigem' Material (Bronzelegierung) geschaffen, ist das Wißmann-Denkmal eigentümlich mobil gewesen: es wurde zwischen den Kontinenten und Ländern hin- und her verschifft und ist mehrere Male gestürzt worden. Eine verblüffende Ähnlichkeiten haben die dokumentierenden Photographien von 1945, als britische Bombenflieger die Wißmann-Figur vom Sockel holten mit den Bildern von 1967/1968. Damals übten sich die APO-Studenten im Denkmalsturz; die Stadt stellte den bronzenen Wißmann 1967 wieder auf. 1968 gelang es den Studierenden, Wißmann erneut zu stürzen sowie auch das benachbarte Dominik-Denkmal (Hans Dominik mit dem Beinamen 'Schreckensherrscher von Kamerun'). Daraufhin ließ Hamburg die Denkmäler in einem Depot verschwinden. Das Auf und Ab des bronzenen Wißmann weist eine aberwitzige Serialität auf. Schließlich ist das Dar es Salaamer Kolonialmonument auch eine echte 'Hamburgensie' geworden.
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- Der Bildhauer Kürle gestaltete auch den 'Reiter von Südwest'2), das zentrale Symbol der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia (ehemals 'Deutsch-Südwestafrika'). Heute noch halten einige deutschstämmige Namibier den 'Reiter' in Ehren. Vor einiger Zeit ließ die namibische Regierung den bronzenen Reiter entfernen und in einem Innenhof abstellen. (Zu kolonialen Phantasmagorien in Denkmälern, s. auch die 1910 eingereichten Entwurfsmodelle von namhaften Bildhauern im Wettbewerb um das Kolonialdenkmal in Windhoek.)
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