Das Wißmann-Denkmal auf Reisen |
durch Köpfe, Länder und Zeitalter |
Kaum ein anderes Denkmal hat eine derart bewegte und skurrile Geschichte wie das Wißmann-Denkmal. Es ist nicht nur interkontinental bewegt worden, sondern auch durch verschiedene Epochen der Verehrung und Verachtung hindurch gereist. Am Schicksal dieses Denkmals lässt sich beispielhaft die (post)koloniale Mentalitätsgeschichte ablesen. |
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Nach Hermann von Wißmanns Tod 1905 wurde seine Person zu einer kolonialen Identifikationsfigur hochstilisiert, und wie kein anderer 'Kolonialheld' wurde er gewürdigt mit drei Denkmälern, zahlreichen Nachrufen, Erinnerungstafeln und einer Medaille, die zur Legende von 'Deutschlands größtem Afrikaner' beitrugen. So wurden Wißmanns Denkmäler zu symbolischen Zentren des 'kolonialen Gedankens'. Sie galten also nicht in erster Linie der Erinnerung an die Person Wißmanns, sondern demonstrierten vielmehr koloniale Weltmachtambitionen schlechthin. |
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Kaiser Wilhelm II selbst spendete für das ostafrikanische Denkmal, blieb jedoch allen kolonialen Gedenkveranstaltungen fern, genauso wie die Reichsregierung unter Bismarck, die kolonialen Ambitionen und deren wirtschaftlichem Nutzen gegenüber stets skeptisch blieb. |
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Nach dem Verlust der deutschen Kolonien im Ersten Weltkrieg wurden fast alle Denkmäler von den neuen Kolonialherren England und Frankreich abgebaut. Das Wißmann-Denkmal wurde nach London verschifft, dort als Anschlagsäule zweckentfremdet und dann als Kriegstrophäe in einem Museum ausgestellt. |
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1921 gaben die Engländer dann doch den Bitten der deutschen Kolonialbewegung nach, und die Figuren von Wißmann und Carl Peters wurden in Kisten verpackt nach Hamburg verschifft. |
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Geplant war ursprünglich, das Wißmann-Denkmal in Berlin aufzustellen. Das eigens hierfür eingesetzte Denkmalkomitee gab jedoch Hamburg den Vorzug. In der Begründung wurde auf die Bedeutung hingewiesen, "die Hamburg in den Beziehungen des Deutschen Mutterlandes zu den ehemaligen Kolonien gehabt hat, und die Tatsache, daß sich in Hamburg, dem größten deutschen Aus- und Einfuhrhafen, die Interessen für die überseeischen Länder konzentrierten."1) 1922 wurde das Wißmann-Denkmal eingeweiht vor der Universität Hamburg, die aus dem Hamburgischen Kolonialinstitut hervorgegangen war. Gegen das Peters-Denkmal gab es so große Bedenken, dass die Aufstellung ganz unterblieb. |
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"Das Wißmann-Denkmal ist das Denkmal Deutsch-Ostafrikas... darüber hinaus das allgemeine Kolonialdenkmal Deutschlands, das die Erinnerung an das Verlorene wachhalten und an das Streben nach dem Wiedererwerb des überseeischen Kolonialgebietes mahnen soll." (Hamburger Nachrichten 1922)1) Das Standbild Wißmanns vor der 'Hansischen Universität' (Uni Hamburg) wurde sodann wichtigste Weihestätte auch der nazifizierten Kolonialbewegung. |
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1945 fiel die Wißmann-Figur vom Sockel, als die Alliierten Hamburg bombardierten. Unter den Trümmern der zerstörten Städte begruben sich neben den Denkmälern auch die Kolonialträume. 1949 wurde die Wißmann-Figur wiederaufgestellt, doch kaum noch beachtet, bis 1961 StudentInnen das Uni-Rektorat aufforderten, die beiden Denkmäler zu entfernen. In ihnen wurden "kompromittierende Requisiten wilhelminischen Kolonialismus" gesehen, und ihre künstlerische Minderwertigkeit und ihre zweifelhafte Wirkung auf afrikanische KommilitonInnen wurde angeprangert. |
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Die 68er Studentenbewegung diskutierte, kritisierte und schritt dann zur Tat. 1967 gab es zunächst zwei Versuche, Wißmann zu stürzen. Ein Jahr später gelang dann der Sturz der Wißmann- und Dominik-Denkmäler, der zur Entfernung der Figuren und zur Einlagerung im Keller der Sternwarte Hamburg-Bergedorf führte. |
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1987 holten Museumspädagogen 'die Leiche aus dem Keller' und stellten das Monument satirisch als Symbolfigur der Kolonialabenteurerromantik in der Ausstellung 'Männersache - Bilder, Welten, Objekte' auf Kampnagel aus. Wißmann lag rücklings auf dem Boden, während der Askari in die Decke starrte. |
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Wiederholt gab es Anfragen von 'Traditionsverbänden', das Denkmal erneut im öffentlichen Raum aufzustellen, doch alle Angebote wurden von den zuständigen Behörden abschlägig beschieden. |
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Das Projekt afrika-hamburg.de hat einen kritischen und die Stadtbevölkerung beteiligenden Zugang zu diesem Denkmal gesucht. Das Konzept zur Auseinandersetzung mit einem vergessenen Kapitel der Stadtgeschichte und deren bronzenen Symbolfigur werden von der Hamburger Universität, dem Denkmalschutzamt, der Kulturbehörde und der Kunstkommission unterstützt. |
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1 Zeller, Joachim: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewusstsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur, Frankfurt a.M. 2000 |