"Es liegt mir daran, im Interesse des Verständnisses der nachfolgenden Wirren, kurz anzudeuten, aus welchen politischen und psychologischen Ursachen die Rebellion von 1888 entstanden ist...

Man hat gemeint, der Aufstand sei eine Reaktion der arabischen Sklavenhändler gegen die europäische Küstenkontrolle gewesen.

Die Fiktion von der Revolte der Sklavenhändler... ist bei näherer Betrachtung nicht haltbar; und für die Unruhen, welche von August an die deutsch-ostafrikanische Küste bewegten, ist in erster Linie das unerfahrene und unkluge Vorgehen unserer Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft verantwortlich."

Carl Peters, zitiert nach: D. Bald, P. Heller u.a.: Die Liebe zum Imperium, 1978 in: Hinz, Patemann, Meier

Siehe dazu auch Justus Strandes' erst kürzlich publizierte Memoiren (unter Firmengeschichte von Hansing & Co., global players 3).

'Hänge-Peters'

Dr. Carl Peters (1856-1918)

geboren in Neuhaus an der Elbe, Sohn eines Pfarrers, Klosterschüler, Privatdozent der Philosophie, Gründer der 'Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft'

1884 gründete Peters mit Mitstreitern die 'Gesellschaft für Deutsche Kolonisation'. Seine Kolonialpolitik "will nichts Anderes, als die Kraftsteigerung und Lebensbereicherung der stärkeren, besseren Rasse, auf Kosten der schwächeren, geringeren, die Ausbeutung der nutzlos aufgespeicherten Reichtümer dieser im Dienste des Kulturfortschrittes jener." Mit dem Eigenkapital seiner Gesellschaft fuhr der 27-Jährige nach Ostafrika und dachte sich eine betrügerische Methode der Landenteignung aus: sog. 'Schutzverträge', begleitet von 'Flaggenhissungen'. Tatsächlich gelang es ihm in kürzester Zeit ein Gebiet zu ergaunern, das zweimal so groß wie Deutschland war.

Er beschrieb, wie solche 'Abtretungsverträge' zustande kamen: näherte er sich einem Häuptlingssitz, ließ er zunächst "Gerüchte von meiner Macht" streuen und Schüsse abfeuern, "um die 'Kanaillen' einzuschüchtern". Dann brachte er die Stammesführer mit "Ehrengeschenken" und einem "Trunk guten Grogs" in die "vergnüglichste Stimmung", auf dass sie ihm die "Blutsbrüderschaft" antrugen und ihm ihr Land "zu völlig freier Verfügung" überließen. Hatte der Häuptling den deutschsprachigen Vertrag unterzeichnet, ließ Peters ihm noch einmal mit Gewehrsalven demonstrieren, "was sie im Falle einer Kontraktbrüchigkeit zu erwarten hätten".

Wenn erst einmal, wie Bismarck spottete, so "ein Stück Papier mit Neger-Kreuzen drunter" existierte, waren Willkür, Ausbeutung und Raubbau kaum Grenzen gesetzt. Peters: "Die Hauptsache ist, daß man das Land erst einmal hat, hernach kann man untersuchen, was es wert ist." Die Verträge beinhalteten u.a. das alleinige und uneingeschränkte Recht, Zölle aufzulegen, Steuern zu erheben, eigene Justiz und Verwaltung einzurichten und bewaffnete Truppen ins Land zu bringen. Siedler sollten kommen und "Berge, Flüsse, Seen und Forsten beliebig nutzen" können. Somit hatte die Unterwerfung von Millionen AfrikanerInnen begonnen. Peters‘ ultimativer Traum war die "Schaffung eines zusammenhängenden mittelafrikanischen Kolonialreiches" von der Ost- bis zu Westküste.

"Ich habe gefunden, daß diesen Völkern nur die männliche Energie und gegebenenfalls rücksichtslose Gewalt imponiert... Gebe ich einem schwarzen Häuptling einen Ochsen, so wird er sofort geneigt sein, mir meine ganze Herde wegzunehmen; gebe ich ihm aber einen Hieb mit der Peitsche, so wird er geneigt sein, umgekehrt mir einen Ochsen zum Geschenk zu machen." Mit 'Expeditionen' ins Landesinnere erwarb er sich den Ruf eines erbarmungslosen Mörders, der "links und rechts alles niederknallte". Die AfrikanerInnen gaben Peters den bezeichnenden Namen 'Mkono wa damu' (Kiswaheli: 'der Mann mit den blutbefleckten Händen'). In seinem Buch 'Kolonien unter der Peitsche' meint F.F. Müller, dass Carl Peters "ein Psychopath mit sadistischen Neigungen, krankhaft übersteigertem Geltungsbedürfnis und hysterischem Ehrgeiz" war, "der sich zeitweise zu einer Art Cäsarenwahn steigerte."

Aus der 'Gesellschaft für deutsche Kolonisation' wurde 1885 die 'Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft Carl Peters und Genossen' (DOAG). Der Reichskanzler, das Auswärtige Amt und der deutsche Generalkonsul von Sansibar versuchten erfolglos, den skrupellosen Peters zurückzuhalten. Bismarck, der keineswegs kolonialbegeistert war, befürchtete in Ostafrika Konflikte mit der Kolonialmacht England. Auch wurden Peters' rabiate Methoden im Umgang mit AfrikanerInnen bald im Berliner Reichstag debattiert und vom Sozialdemokraten August Bebel öffentlich angeprangert.

Carl Peters handelte eigenmächtig und erhoffte sich einen nachträglichen 'Schutzbrief'. 1885 lenkte der Kanzler schließlich ein und unterschrieb diesen mit dem Kaiser. Damit verpflichtete sich die deutsche Regierung, die neue Kolonie zu 'befrieden', in Konfliktsituationen mit militärischem Einsatz zu verteidigen und Kriegsschiffe zu 'Flaggenhissungen' zu entsenden. Die eigentliche Ursache für die plötzliche Zustimmung dürfte das "unerfahrene und unkluge Vorgehen" von Peters und seiner DOAG gewesen sein: Bismarck wollte weitere Skandale und Aufstände verhindern.

Doch die Rechnung ging nicht auf: gegen die Politik der verbrannten Erde erfolgte 1888 landesweit eine massive Rebellion, die nur mit erheblichen militärischen Mitteln niedergeschlagen werden konnte.

1891 wurde 'Deutsch-Ostafrika' zur Kronkolonie erklärt und Peters zum Reichskommissar ernannt. Er wurde aber bald wieder seines Amtes enthoben, weil in Berlin krasse Fälle von Lynchjustiz bekannt wurden. Der unter Kolonialkritikern genannte 'Hänge-Peters' ließ seine angeblich untreue afrikanische Konkubine Jagodia und ihren Geliebten öffentlich aufhängen und ihre Heimatdörfer zerstören, was in der Kilimandscharo-Gegend wieder zu monatelangen Aufständen gegen die Kolonisatoren führte. Die sozialdemokratische Zeitung 'Vorwärts' nannte Peters einen "grimmigen Arier, der alle Juden vertilgen will und in Ermangelung von Juden drüben in Afrika Neger totschießt wie Spatzen und zum Vergnügen Negermädchen aufhängt, nachdem sie seinen Lüsten gedient."

1905 wurde Carl Peters durch den Kaiser rehabilitiert und bekam entsprechende Pensionszahlungen. Im selben Jahr brach im Süden Deutsch-Ostafrikas der Maji-Maji-Krieg aus, der brutal niedergeschlagen wurde (schätzungsweise 250.000 Opfer). Im Versailler Vertrag wurde das Gebiet Belgien und Großbritannien zugeteilt.

In der Weimarer Republik war es lediglich die Kolonialbewegung, die die Erinnerung an den Verpönten hochhielt. In Nazideutschland wurde Peters dann zum 'größten deutschen Kolonialpionier' verklärt, der für sein "Heimatvolk den Durchbruch zur Herrennation" vollzogen habe. Seine zeitgenössischen Gegner, wie etwa der damalige Leiter des Auswärtigen Amtes, Dr. Paul Kayser oder die Sozialdemokraten wurden in verschiedenen Publikationen mit antisemitischen Angriffen traktiert.

Denkmäler für Carl Peters

1914 wurde ein Peters-Denkmal in Berlin angefertigt und zur Aufstellung nach dem ostafrikanischen Daressalam transportiert. Durch den Ersten Weltkrieg und den Verlust der deutschen Kolonien scheiterten jedoch diese Pläne. Das Standbild wurde 1919 zusammen mit denjenigen für Wißmann und Dominik über London nach Hamburg verschifft und sollte an der Elbe aufgestellt werden, "den ausfahrenden deutschen Überseern ein Symbol unserer Hoffnungen für die Zukunft, den Fremden aber ein Wahrzeichen, dass Deutschland nun und nimmer gewillt ist, auf seine kolonialen Ansprüche zu verzichten." (H. Zache)

Doch Peters war in der Öffentlichkeit und selbst in Teilen der Kolonialkreise nicht unumstritten, und so landete sein Denkmal zunächst für lange Zeit im Keller eines Hamburger Reeders. Später wurde es nach Helgoland gebracht und dort erst 1931 errichtet.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Monument dann abgetragen und zerstückelt. 1966 wurde der Rest, eine Büste, auf Initiave der kolonialen Traditionsverbände wiedererrichtet, welche damit ihre anhaltende Identifikation mit Peters demonstrieren wollten.

In den letzten Jahren sind zwei weiteren Peters-Monumenten in Neuhaus und Hannover Tafeln mit kritischer Kommentierung hinzugefügt worden; damit haben diese eine neue Funktion als Mahnmal erhalten. Auf Helgoland entschied man sich für die Musealisierung der Büste - ohne zusätzliches Kommentar.

1 Einführung, Alvares, Schimmelmann, Godeffroy

2 Woermann, Blohm & Voss, Gaiser

3 Hansing, Jantzen & Thormälen, Laeisz, Meyer, Nölting, O'Swald

4 Sloman, OMEG, Reichardtwerke, Firmenfusionen, Quellen

August Bebels Reden

Quellen

E. Banse: Unsere großen Afrikaner, Berlin 1943

K. Graudenz, H. Schindler: Die deutschen Kolonien, 1994

M. Hinz, H. Patemann, A. Meier: Weiß auf Schwarz. Kolonialismus, Apartheid und afrikanischer Widerstand, Berlin 1986

Carl Peters: Gesammelte Schriften, München 1943

S. Tode (Hg.): Justus Strandes. Erinnerungen an Kindheit und Jugend und an die Kaufmannszeit in Hamburg und Ostafrika 1865-1889, Hamburg 2004, in: Klaus Wiegrefe: Alles niederschießen!, Spiegel 4, 28.09.2004 www.spiegel.de/spiegelspecial/0,1518,320365,00.html

J. Zeller: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewusstsein, Berlin 1999

J. Zeller: "...sein Wirken und der Gedenkstein sind umstritten". Die Denkmäler für Karl Peters im Geschichtsunterricht, in: Geschichte-Erziehung-Politik 6/1997

1888 erschien im Wahren Jakob dieses Spottgedicht:

Die schwarzen Brüder

Zu der Katastrophe in Ostafrika

Man wollte nach Afrikas Osten

Verpflanzen deutsche Kultur,

Man dachte nicht an die Kosten,

Man dachte der Schätze nur,

Die massenhaft aufgespeichert

Im südlichen Sonnenland,

Man hätte gerne bereichert

Daran sich mit gieriger Hand.

Doch anders bestimmten die Parzen;

Nun hat man erst wohl entdeckt,

Wie wenig dorten die Schwarzen

Noch von der Kultur beleckt,

Wie oft auch von dorten gekommen

Gar wundersame Mär

Durch manch wohlbezahlten und frommen

Und eifrigen Missionär.

Jaja, die schwarzen Brüder,

Die werden uns recht fatal;

Man sang umsonst ihnen Lieder

Christlich und deutschnational.

Sie wollten für andre nicht schwitzen,

Die Last deucht' ihnen enorm;

Sie trugen nicht gern in der Hitzen

Die preußische Uniform.

Sie haben kein Staatsrecht studieret,

Sind nicht von politischem Schliff,

Doch, wenn auch nicht kultivieret,

Sind sie doch von klarem Begriff.

Das Land, das sie immer besessen,

Dess' Frucht haben sie mit Verstand

Sich selber auch zugemessen

Und haben's ihr Eigen genannt.

Da kam, um sie schwer zu kränken,

Von Sansibar der Despot,

Der wollt' ihr Land so verschenken

Durch einfaches Machtgebot.

Das haben sie nicht gelitten,

Das Land war nicht sein Gut;

Sie haben wild drum gestritten,

Geflossen ist deutsches Blut.

Ermordet sind deutsche Söhne!

Kolonialphilister verstockt -

Ihr habt wieder eine schöne

Supp' uns da eingebrockt!

Nun weint ihr wie Krokodile,

Die ihr einheimsen gewollt;

Bezwingt lieber eure Gefühle

Und seid nicht so gierig nach Gold!

Die Sach' ist zu ernst zum Spotte,

Doch liegt die Verführung nah:

Nun wollt ihr, dass eine Flotte

Bald segelt nach Ostafrika;

Die soll dort die schwarzen Brüder

Beschießen mit ihrem Geschütz,

Und wir sollen's zahlen wieder -

Das ist stets der alte Witz!

Willkommen _|_Projekt _|_Abstimmung_|_Debatte _|_ Webcam _|_ vor Ort _|_ Hamburg kolonial

Denkmal & Biografie | Denkmalsturz_| Kooperationen | Stichworte & Quellen | Kommentare | Dank

Impressum & Kontakt _| _Kulturkalender_ | 'Tanzaniapark‘ | _andere Kunstprojekte _|_ Disclaimer

Carl Peters zum sog. 'Araberaufstand', gegen den Hermann von Wißmann kämpfte und der in Deutschland zur 'Sklavenbefreiung' hochstilisiert wurde:

Portrait- und Personenphotographie kann, bewusst

oder unbewusst, Machtverhältnisse widerspiegeln.

Dies trifft insbesondere auf die koloniale

Photographie zu...

Carl Peters hat sich gern mit seinen afrikanischen

Dienern in hierarchischen Arrangements

ablichten lassen. Solche Studionahaufnahmen,

auf denen das Herrschaftsverhältnis zwischen einem

Schwarzen und einem Weißen so augenfällig in den

Mittelpunkt rückt, sind eher zeituntypisch. Peters

scheint instinktiv gewusst zu haben, wie er sich

wirksam als Herrenmensch in Szene setzt...

Etwa dreißig Jahre später in einem nazipropa-

gandistischen Buch: Exakt die gleiche Aufnahme

wie oben, bloß der afrikanische Diener ist weg

retuschiert. Die Nazis haben den Kolonialrassisten

Peters als Held und Wohltäter gefeiert. Sollte

nichts mehr - nicht einmal die unterwürfige

Anwesenheit eines Bediensteten - an seine

brutalen Übergriffe gegen die afrikanische

Bevölkerung erinnern? Das neutralisierte Photo

zeigt nur noch einen mehr oder minder

würdigen Mann in Uniform...

Aus: 'Das Buch der deutschen Kolonien' von 1937

Leider ist nicht überliefert, welchen

photographischen Hintergrund diese

freigestellte Peters-Figur ursprünglich hatte.

1941 produzierte Hans Albers den NS-Propaganda-

film 'Carl Peters' und spielte die Titelrolle.

Das Peters-Denkmal wurde 1914 für Daressalam

angefertigt, kam aber erst 1931 zur Aufstellung

auf Helgoland (Photo: Archiv J. Zeller)

Nur der Kopf blieb übrig: Peters-Büste auf der

Strandpromenade auf Helgoland

(Photo: Archiv J. Zeller)