Der 'Salpeterbaron'

Rob. M. Sloman

1791 kam der Kapitän William Sloman mit seinem Schiff von England nach Hamburg und blieb. Sein Sohn Robert Miles Sloman (1783-1867) entwickelte die kleine Schiffsmaklerei zu Hamburgs größter Reederei. Die Reiseziele der Sloman-Schiffe lagen in aller Welt, wenngleich New York dominierte. Die Ladung bestand aus Paketfracht und Auswanderern.

Ein Sprößling der nächsten Generation, Henry Brarens Sloman, gründete in Chile mehrere Salpeterminen. Die Regierung von Chile hatte nach der Befreiung von den spanischen Kolonisatoren die indigene Bevölkerung enteignet und das Land an ausländische Investoren verschachert. Riesige Latifundien (Großgrundbesitztümer) im Süden wurden von den neuen Herren angelegt. In der Atacama-Wüste im Norden waren weltgrößte Vorkommen an Salpeter und Kupfer 'entdeckt' worden, zudem Silber, Gold, Zinn und Kohle. Während die Nordamerikaner die Kupfergebiete an sich rissen, spezialisierten sich die Europäer und Chilenen auf Salpetergewinnung. 1910 wurde eine Eisenbahnlinie von den Bergen an die Küste gebaut. Sloman und ein weiteres Hamburger Handelshaus, Fölsch & Martin (Reederei H. Fölsch & Co.), gehörten zu den größten Minenbesitzern. 1926 importierten die deutschen Unternehmen insgesamt zwei Millionen Tonnen Salpeter pro Jahr.

In den chilenischen Hafenstädten schwelgten die 'Salpeterbarone' im Luxus - prunkvolle Theatergebäude und herrschaftliche Villen zeugen noch heute vom einstigen Glanz. In der Wüste mussten die Ärmsten der Armen - etwa 71.000 WanderarbeiterInnen, mehrheitlich aus der indigenen Bevölkerung - in den über 100 Salpeterminen zu katastrophalen Bedingungen arbeiten. In der regen- und vegetationslosen Wüste ist das Klima hart, das Wasser knapp; die Arbeit war staubig und ging auf die Knochen. In der Lohntüte gab es kein Bargeld, sondern lediglich Gutscheine, die in den überteuerten Lebensmittelgeschäften der Minengesellschaften einzulösen waren. Diese drastischen Mißstände hat Pablo Neruda, chilenischer Dichter, Nobelpreisträger und Gouverneur der nördlichen Salpeterprovinzen in seinem Werk Canto General angeprangert. An der Küste Chiles beuteten die Hamburgischen Handelshäuser, allen voran Sloman und der im Volksmund benannte 'Schietbaron' Ohlendorff & Co. die riesigen Vorräte an Guano aus, das nitrathaltige Exkrement von Küstenvögeln.
1907 kam es in Chile zu ausgedehnten Streiks, die von Militärtruppen bekämpft wurden. Die chilenischen Soldaten wurden von preussischen Offizieren ausgebildet. Die Aufstände endeten in einem Blutbad, in Haft, Folter und Pressezensur.

Chile war zwar keine deutsche Kolonie, doch die Machtstrukturen ähnelten sich. Die chilenische Regierung war vollständig abhängig von den ausländischen Konzernen, die diese nach Belieben absetzen konnten. Als eine der führenden Salpeterminen in finanzielle Schwierigkeiten geriet, stürzte die gesamte chilenische Wirtschaft in eine schwere Krise. Die Regierung druckte Geld, um die Staatsausgaben zu decken und löste damit eine massive Inflationssteigerung aus. Mit der Entdeckung synthetischen Nitrats verlor der chilenische Salpeterabbau an Bedeutung.

Präsident Salvador Allende (1970-1973) verstaatlichte Landwirtschaft und Industrie, was erneut zu einer tiefen Wirtschaftskrise führte und folglich zu einem Militärputsch durch Pinochet. In der Zeit der Diktatur wurden die verlassenen Salpeterminen in Konzentrationslager für politische Häftlinge umgewandelt. Heute wirken die Ruinen der Salpeter-oficinas in der Wüstenlandschaft wie Filmkulissen einer verwitterten Westernstadt.

Salpeter als natürlich vorkommendes Nitrat konnte als Dünger auf den großen Landwirtschaftsflächen (Latifundien) im Süden von Chile eingesetzt, aber auch zu Sprengstoff und Schießpulver verarbeitet werden. Sloman und Fölsch verschifften 'das weiße Gold der Wüste' in großen Mengen nach Hamburg. Schießpulver zählte neben Gewehren und Schnaps zu den wichtigsten Importartikeln in die deutschen Kolonien in Afrika, Südsee und China.

Auch im Ersten Weltkrieg profitierten die Salpeterimporteure von der gesteigerten Nachfrage. So konnte Henry Brarens Sloman mitten in der Weltwirtschaftskrise das Chile-Haus in Hamburgs Kontorhausviertel bauen - ein architektonisches Juwel, finanziert mit Geldern aus zweifelhaftem Geschäft. 1910 legte er den Grundstein für das Sloman-Haus am Ballindamm und erwarb 1912 die Güter Steinbeck und Bellin in Mecklenburg, wo er ein Schloss für exklusive Jagdgesellschaften bauen ließ. 1924 gründete die 'Finanzbank', die 1978 von der Dresdner Bank übernommen wurde.

Enrique Juan Sloman folgte dem verstorbenen Vater 1934 als Vorsitzender der hauseigenen Bank und Alleinbesitzer der zwei Anwesen. Er sympathisierte mit Hitler und setzte ZwangsarbeiterInnen auf seinen Gütern ein. In der DDR-Zeit wurde das Jagdschloss - Ironie des Schicksals - als Flüchtlingsheim für namibische Kinder benutzt. 2001 eröffnete Angelika Sloman dort ein Luxushotel. Das Sloman-Haus am Ballindamm wurde 2003 restauriert.

Das wichtigste Standbein der Sloman-Neptun Schiffahrts-AG ist derzeit der Betrieb von Flüssiggas-Tankschiffen. Der nächste Tanker wird in China gebaut.

In seinem empfehlenswerten Film Weißes Gold - Salz der Wüste (2001) hinterfragt der Fölsch-Großenkel Robert Krieg kritisch die eigene Familiengeschichte.

 

OTAVI-Minengesellschaft OMEG

Otavi/Tsumeb ist ein Ort im nördlichen Gebirge in Namibia. Das Gebiet weist ein gewaltiges Vorkommen von verschiedenen Mineralien auf. Schon 1883 erwarb der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz (Spitzname 'Lügen-Fritz') in betrügerischer Weise Küstengebiete in Südwestafrika, wo auch Diamantenfelder gefunden wurden. Der ganze Küstenabschnitt wurde zum 'Deutschen Protektorat' erklärt. "Lieb soll es mir sein, wenn der ganze Grund ein kolossales Erzlager ist, dass meinethalben ein Loch aus dem ganzen Gebiet wird durch den Abbau der Erze", schwärmte Lüderitz.

1900 gründeten die deutsche und englische Kolonialgesellschaft das Konsortium OTAVI Minen- und Eisenbahngesellschaft und bekamen vom Deutschen Reich 13.00000 Hektar Land geschenkt. Zu den Großaktionären zählten die Disconto-Gesellschaft, die Deutsche Bank und die Norddeutsche Bank, im Aufsichtsrat saß Adolph Woermann. Das Ziel war in erster Linie die Ausbeutung des Kupfervorkommens und der Bau einer Eisenbahn nach Windhoek.

Im Ersten Weltkrieg verlor Deutschland vorübergehend die Rechte an dem Firmenkonglomerat. Im Zweiten Weltkrieg übernahm ein südafrikanischer Treuhänder die Werksanlagen und Farmen der OTAVI-Gesellschaft. Zwischen 1976 und heute wechselte die Firma mehrmals den Besitzer und fusionierte mit verschiedenen internationalen Firmengruppen.

Auf ihrer Webseite weist OTAVI stolz auf die hundertjährige Geschichte hin, die in Wirklichkeit keineswegs rühmlich war. Vor der Kolonialzeit gehörte das Gebiet den Herero, die aus dem Kupfer Kleingegenstände herstellten und damit handelten. Nicht genug damit, dass ihnen das riesige Stück Minenland geraubt wurde; die neue Eisenbahnlinie führte zudem mitten durch das Gebiet der Herero, und man zwang sie dazu, "den Grund und Boden beiderseits der Bahnlinie in Blöcken von 20 km Breite und 10 km Tiefe einschliesslich der Wasserrechte unentgeltlich" (Möhle, S. 65) abzutreten.

Der Konflikt spitzte sich zu, als die Herero durch eine Kette von Epidemien und Naturkatastrophen verarmten: eine Rinderpest hatte 90 Prozent des Viehbestandes dahingerafft, 1898 starben 10.000 Herero an Typhus, auf die eine Heuschreckenplage und eine Dürreperiode folgten. Durch aggressives Vorgehen der Kolonialverwaltung und Siedler hatten die Herero viel Land an die neuen Herren verloren. Aufgrund dieser tiefgehenden Konflikten brauch1904 brach der Krieg aus, der als Völkermord der deutschen Truppen an den Herero und Nama endete.

Die wenigen Überlebenden wurden in Konzentrationslagern interniert. 900 Männer, 700 Frauen und 620 Kinder wurden zwangsweise zur Arbeit am Straßen- und Eisenbahnbau und in den Minen der OMEG herangeführt. Hauptabnehmer des Kupfererzes war die Norddeutsche Affinerie in Hamburg, die sich - wie auch zu einem großen Teil OMEG - im Besitz der Norddeutschen Bank befand.
 
Heute fordern die Herero Entschädigung von der Bundesregierung, der Deutschen Bank und der Deutschen Afrika-Linie (Rechtsnachfolger der Firma Woermann).

"Die Proletarisierung der Bevölkerung, die Trennung von Schwarzen und Weißen, die Zuweisung von Reservaten aufgrund der 'Stammeszugehörigkeit', das war die Hinterlassenschaft der Deutschen, als die Verwaltung Namibias nach dem Ersten Weltkrieg an Südafrika übertragen wurde. Die Buren von Kap brauchten das System der Apartheid nur weiterzuentwickeln, die 'Südwester' hatten gründliche Vorarbeit geleistet." (Möhle, S. 67, 68)

Bis zur Unabhängigkeit Namibias 1989 war die Norddeutsche Affinerie an der OTAVI Minen AG beteiligt.

 

Reichardtwerke

Kakao-Compagnie Theodor Reichardt

Bis 1910 importierte Hamburg als einer der führenden Rohkakaomärkte jährlich ca. 50.000 Tonnen Kakao. Das Unternehmen Reichardtwerke, das etwa drei Prozent der Weltkakaoernte verarbeitete, war mit 4000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in Wandsbek. Der Kakao kam aus Portugiesisch- und Britisch-Westafrika und später vor allem von den hamburgischen Großplantagen der Firmen Woermann und Jantzen & Thormälen am Kamerunberg.

Firmenfusionen:

Gesellschaft Nord-West-Kamerun GNWK

und Gesellschaft Süd-Kamerun GSK

konstituierten sich als private Konzessionsgesellschaft in Hamburg und besaßen zusammen zwei Fünftel von Kameruns landwirtschaftlichem Boden. "Kolonisieren, das zeigt die Geschichte aller Kolonien, bedeutet nicht, die Eingeborenen zu zivilisieren, sondern sie zurückzudrängen und schließlich zu vernichten." (der Hamburger Rechtsanwalt Scharlach, Gründer der Gesellschaft Süd-Kamerun, in: Möhle)

Handelskammer für Süd-Kamerun

Firmenkonzentration hauptsächlich für Kautschuk (sog. Batanga-Firmen)

Kamerun-Land-und-Plantagengesellschaft KLPG

Kamerun-Tabakbau-Gesellschaft

Kakao- und Kaffeeplantagen am Kamerunberg (Woermann/Jantzen & Thormälen)

Westafrikanische Pflanzungsgesellschaft 'Victoria' WAPV

Plantagenfusionen von Woermann und Jantzen & Thormälen am Kamerunberg

Moliwe-Gesellschaft

Gesellschaft, bestehend aus KLPG , WAPB und WAPV mit einer Landfläche von 14.000 Hektar am Kamerunberg

1 Einführung, Alvares, Schimmelmann, Godeffroy

2 Woermann, Blohm & Voss, Gaiser

3 Hansing, Jantzen & Thormälen, Laeisz, Meyer, Nölting, O'Swald

4 Sloman, OMEG, Reichardtwerke, Firmenfusionen, Quellen

August Bebels Reden

Carl Peters

Quellen Global Players 1-4, 2005

K. Graudenz, H. Schindler: Die deutschen Kolonien, Augsburg 1994

U. v. Goetz, A. Wasmuth: Hanseaten mit Herrenhaus

www.welt.de/daten/2001/10/14/1014h1288649.htx

C. Degn: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, Neumünster 1974/1984

M.O. Hinz, H. Patemann, A. Meier: Weiß auf Schwarz. Kolonialismus, Apartheid und afrikanischer Widerstand, Berlin 1986

G. Hoffmann: Das Haus an der Elbchaussee. Die Godeffroys - Aufstieg und Niedergang einer Dynastie, Hamburg 1998

G. Hoffmann: Schönwetter-Kapitalist. Das Hamburger Handelshaus Godeffroy, DIE ZEIT Nr. 32, 31.07.2003

Krieg & Nolte: Weißes Gold - eine Reise durch den Norden Chiles; Salpeterminen der Firmen Fölsch und Sloman, Dokumentarfilm 2001

www.krieg-nolte.de/content.php^cgi_projekt=1&cgi_seite=1.htm

H. v. Machthaler: Die Slomans, Hamburg 1939

http://www.jungewelt.ipn.de/2003/05-03/030.php

H. Möhle (Hg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika - eine Spurensuche in Hamburg, Hamburg 1999

Pablo Neruda: Ich bekenne, ich habe gelebt, Luchterhand 2002

"Felder und schlummernde Dörfer, schreckliche Armut in den Bergwerksgebieten und die eleganten Leute, die ihren Country Club füllten. Ich musste mich entscheiden... Hier gilt es, Partei zu ergreifen, entweder für die Cadillacs oder für die Leute ohne Schule und Schuhe."

www.randomhouse.de/specials/neruda/neruda03a.htm

H. Paul: Die wirtschaftlichen Interessen bei Gründung der deutschen Kolonien Togo und Kamerun unter besonderer Berücksichtigung des Branntweinhandels, Hausarbeit, Krefeld 1999

home.t-online.de/home/harald_paul/GrStud/Geschichte/NeuegII.html

C. Raddatz (Hg.): Afrika in Amerika - ein Lesebuch zum Thema Sklaverei und ihren Folgen, Hamburgisches Museum für Völkerkunde 1992

B. Reinhardt: Hundert Jahre seit dem Herero-Aufstand. Deutscher Imperialismus in Südwestafrika

www.wsws.org/de/2004/jan2004/herr-j24.shtml

K. Richter: Deutsch-Ostafrika 1885 bis 1890: Auf dem Weg vom Schutzbriefsystem zur Reichskolonialverwaltung, 2000

www.rewi.hu-berlin.de/online/fhi/articles/0001richter.htm

S. Tode (Hg.): Justus Strandes. Erinnerungen an Kindheit und Jugend und an die Kaufmannszeit in Hamburg und Ostafrika 1865-1889, Hamburg 2004, in: Klaus Wiegrefe: Alles niederschießen!, Spiegel 4, 28.09.2004

www.spiegel.de/spiegelspecial/0,1518,320365,00.html

M. Wegner: Hanseaten. Von stolzen Bürgern und schönen Legenden, Berlin 1999, in: Berliner LeseZeichen: Weltbürger, Patrioten, Krämerseelen, Ausgabe 06+07/00, 2000

www.berliner-lesezeichen.de/lesezei/Blz00_06/text35.htm

Vom Winde verweht. In der Atacama-Wüste in Chile existierten einst über 100 Salpeterminen. Übrig geblieben sind Maschinenskelette und Villen.

www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1998/1107/reise/0010/

Nationalsozialistische Bewegung Chiles

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Harte Arbeit in den chilenischen Salpeterminen

Feier der Firmenleiter in der oficina alemania

Exklusive Straßenwerbung für die Salpeterbarone

Salpetersegelschiff der Firma Sloman

am Hamburger Hafen

Wildwest in Chile: Ruinen der

Salpeterminen in der Atamaca-Wüste

Kupfererz für die Norddeutsche

Affinerie: Mine in Otavi

Ungesunde Arbeitsbedingungen in der Otavi- Mine

Die wenigen Herero und Nama, die den Völkermord

überlebten, kehrten aus der Wüste zurück.

Sie wurden in Ketten gelegt, in Konzentrations-

lagern interniert und zur Arbeit gezwungen.

Die Kakaobohnen wurden nach

der Ernte nach Hamburg verschifft

Rohmaterial für die Gummi-Industrie in Hamburg:

Kautschukverarbeitung in der Westafrikanischen

Pflanzungsgesellschaft 'Victoria' in Kamerun