Menschenversuche in der Deutschen Kolonialmedizin

Feature von Stephan Krass

Auszüge aus einer Sendung des Radio Bremen aus dem Jahre 1998

... Daß Humanexperimente nicht erst in den Konzentrationslagem des 2. Weltkriegs durchgeführt wurden, sondern sich im Großlabor des 1. Weltkriegs - und schon in der deutschen Kolonialmedizin vorbereitet haben, hat der Heidelberger Medizinhistoriker Wolfgang Eckart bei seinen Studien herausgefunden.

O-Ton Prof. Eckart:

... Der Krieg als Experimentierfeld war ... nicht das erste große Feld zur Erprobung neuartiger Heilmethoden im Bereich des Impfens oder im Bereich der medikamentösen Krankheitsbekämpfung. Es hat gerade im deutschen Raum, auch lange vor 1914, solche Experimentierfelder gegeben. Diese lagen allerdings nicht in Deutschland, sondern an der kolonialen Peripherie des zweiten deutschen Kaiserreiches, besonders in den tropischen Kolonien Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika. Dort wurden Humanexperimente durchgeführt, die im Reich selber aus verschiedensten Gründen gar nicht denkbar gewesen wären. Humanexperimente, die gar nicht so sehr der individuellen Heilung dienten, sondern vielmehr der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis verpflichtet waren...

Autor:

Der Arzt als Repräsentant der weißen Rasse befindet sich im totalen Krieg mit einer Krankheit, die als 'Feind' personalisiert wird, während die Person des Kranken hinter dem militärisch aufgeladenen Feindbild der Seuche verschwindet. Wenn der Patient nur noch Träger einer aggressiven Pathologie ist, dann ist die Therapie eine Methode, die Krankheit ohne Rücksicht auf den Kranken selbst zu bekämpfen.

Als wirksames Medikament gegen die Schlafkrankheit stand ... in der westafrikanischen 'Musterkolonie' des Kaiserreichs zunächst nur das im Organismus schwer zersetzliche metallorganische Syphilistherapeutikum Atoxyl zur Verfügung. Atoxyl aber rief wegen seines hohen Arsengehaltes bereits bei relativ niedrigen Dosierungen schwerste Nebenwirkungen hervor und kam daher in Deutschland - etwa bei der Syphilistherapie - nur zurückhaltend zur Anwendung. ...

Der Regierungsarzt Dr. Külz, von 1902-1905 in Togo, veröffentlichte im Deutschen Kolonialblatt einen Aufsatz mit dem Titel: "Die Volkshygiene für Eingeborene in ihren Beziehungen zu Kolonialwirtschaft und Kolonialverwaltung".

Sprecher 1:

"Den Eingeborenen, unseren kolonialen Hauptwert, in seiner vollen Leistungsfähigkeit zu erhalten ..., ist die vornehmste Aufgabe der Kolonialhygiene. Ihre berufenen Hüter sind die Kolonialärzte... . So stellt der Farbige den wertvollsten Besitz unserer Kolonien, ihr organisches Stammkapital dar... . Das lebendige Stammkapital nicht nur in voller Höhe zu erhalten, sondern rentabel zu verwerten..., ist die vornehmste Aufgabe der Kolonialhygiene .... Man nehme an, daß in Deutsch-Ostafrika die Schlafkrankheit nur zehntausend Menschenleben ... fordern wird. Man normiere den Kapitalwert eines Negers ... auf den kleinen Betrag von zehn Mark jährlich und nehme ferner an, daß jeder von der Schlafkrankheit Dahingeraffte ohne diese Seuche durchschnittlich noch zehn Jahre gelebt hätte, so haben wir einen Verlust von einer Million nur für diese Seuche."

O-Ton Prof. Eckart:

Als Faktum ist zu verzeichnen, daß im Jahre 1910 ein Teil der Aufständischen ... aus der deutschen Kolonie Südwestafrika, nämlich die Wittburger Hottentotten, nach Kamerun deportiert wurden, und dort innerhalb kürzester Zeit, weil sie mit den klimatischen Bedingungen, denen sie ausgesetzt waren, den tropischen Bedingungen, nicht zurechtkamen, fast alle verstorben sind. Und ein Regierungsarzt, und zwar der Leiter einer hygienisch-pathologisch-bakteriologischen Abteilung des Regierungshospitals in Duala, hat sich diese Sterbefälle zunutze gemacht, um mit dem Material, was sich bot, interessante Unterschiede zwischen Hottentotten und Kamerun-Negern in pathologischer Beziehung deutlich zu machen. Das heißt, es wurde seziert, und unter bewußter Ausnutzung der Notsituation dieser Patienten wurden rassenbiologische Untersuchungen durchgeführt.

Ein anderes Beispiel im gleichen Zusammenhang bezieht sich auf die katastrophale Situation in den Schlafkrankheitslagern - und zwar nicht nur in Kamerun - in Akunulinga etwa - sondern auch in Togo, am Hausberg. Dort fielen - das ist auch die brutale Terminologie der Ärzte aus dieser Zeit - Tote in pathologischen Instituten, die über das Reichskolonialamt an die Kolonialperipherie weitergeleitet wurden, ob man nicht aus diesem Material, etwa Hautstücke vom Kinn von der Kinnspitze oder von der Lippe, von der Unterlippe bis in die Genitalgegend präparieren könnte und in die Heimat schicken könnte, um daran rassenpathologische und rassenbiologisch vergleichende Untersuchungen durchführen zu können.

Es wurden solche Dinge präpariert, in die Heimat geschickt. Und da wurden dann Schweißdrüsen ausgezählt, die Farbe wurde genau untersucht, es wurden unterschiedliche Haartypen untersucht - also rassenbiologische Untersuchungen, wie sie dann, einige Jahrzehnte später etwa im Nationalsozialismus auf ähnlich brutale Weise wiederaufgenommen wurden.

Autor:

Als man im April 1908 bei der systematischen Untersuchung von 27.000 Bewohnern in Togo 700 Infizierte mit den krankheitstypischen Lymphdrüsensschwellungen fand, war schnelles Handeln geboten. Eine umgehend eingesetzte 'Schlafkrankheits-Kommisssion', empfahl als erste Maßnahme, die infizierten zur Behandlung und Isolation in besondere 'Sammel- oder Konzentrationslager' zu bringen... Aus den Dörfern des Schlafkrankheitsgebietes wurden die Infizierten mit Polizeigewalt in die Lager gebracht. Es fehlte an Decken, Nahrungsmitteln, Wasser und Feuerholz. Zudem führte die von den inhaftierter Patienten bald als gefährlich erkannten Zwangsbehandlungen der Ärzte zunehmend zu Therapieverweigerung und Flucht. Gefängnisstrafen und Zwangsarbeit waren die Folge...

Wolfgang Eckart schreibt: "Als schwerste Nebenwirkung der Arsenbestandteile des Präparates trat bei vielen Patienten irreversible, beidseitige Erblindung ein. An der Tagesordnung waren erhebliche Störungen des Zentralnervensystems, wie sensible Empfindungsstörungen oder Reflexausfälle... "

Anfang des Jahres 1909 begann im Lager Kluto in Togo der Regierungsarzt Dr. von Raven anstelle des bisher eingesetzten hochgiftigen Atoxyl-Präparats mit der Kombination mehrerer arsenhaltiger Präparate, die die Firma Hoechst zur Verfügung gestellt hatte, zu experimentieren. In einem Lagerbericht des Jahres 1909/1910 räumte von Raven offen ein, daß es sich nicht um patientenorientierte Therapieversuche, sondern um pharmakologische Experimente handelte, die auf das Einzelschicksal des Patienten keine Rücksicht nahmen. Von Raven teilte lapidar mit:

"... daß bei dem Mangel hinreichender Erfahrungen in der Anwendung der Mittel beim Menschen zuerst die Dosis maxima bene tolerata" - also die Höchstmenge - "sodann der bestwirkende Anwendungsmodus in einer Reihe von Versuchen, ... wie sie allein durch den Lagerbetrieb gewährleistet seien ..., festzustellen sei." ...

O-Ton Prof. Eckart:

Es hat bei den Eingeborenen zu panischen Vorstellungen insofern geführt, als etwa die Patienten des Schlafkrankheitslagers Akunulinga gerüchteweise von dieser Praxis gehört hatten und nun die Information in der Weise verbreiteten, daß sie sagten, Fleischstücke aus ihren Körpern würden konserviert und nach Deutschland geschickt oder in Deutschland ... als Fleischkonserven verkauft. Wenn ich etwa nach Togo blicke, da haben die Ärzte es für nötig gehalten, ihre Patienten mit brachialer Gewalt in den Lagern festzuhalten. Die Patienten wurden angekettet.... Wenn sich ... Patienten der Behandlung oder den medizinischen Versuchen mit Arsenpräparaten entzogen, dann machten sie sich schuldig. Das heißt, sie konnten dann verfolgt werden von der Polizei ... Und die Bestrafung wurde von den Ärzten zum Teil selbst vollzogen, und zwar mit Hilfe eines Tauendes...

Autor:

Im Jahre 1912 muß Regierungsarzt van der Hellen schließlich zugeben, daß auch die Humanversuche mit Arsenpräparaten die Bemühungen um eine wirksame Schlafkrankheitstherapie keinen Schritt weiter gebracht hätten und nur ein neues Mittel die im Gang befindlichen Versuche dem "Behandlungsideal näher" bringen könnte. Dennoch wolle man die bisherigen Erkenntnisse veröffentlichen, um die 'Anwartschaft' der Lagerärzte auf einen von der belgischen Regierung ausgesetzten Preis in Höhe von 200.000 Fr. zu sichern. Die Lagerversuche wurden unterdessen mit unverminderter Intensität fortgesetzt, da sich die koloniale Gesundheitspolitik auch durch Mißerfolg nicht irritieren ließ.

O-Ton Prof. Eckart:

Es ist in erster Linie als Internierung zunächst mal verstanden worden, weil man sich über den Gang der Krankheit nicht ganz klar war. Es hätte sich ja auch um eine infektiöse Krankheit handeln können. Daß dies nicht war, daß dies eine Krankheit war, die durch Übertragung nach Fliegenstich auftrat, das wurde erst im Laufe der Jahre so populär, daß es auch die deutschen Ärzte an der kolonialen Peripherie verstanden haben.

Also einmal der Internierungsaspekt, der andere Aspekt ist sicherlich auch ein therapeutischer Aspekt, denn den Ärzten mußte natürlich daran gelegen sein, im Sinne einer besseren ökonomischen Ausnutzung der Kolonie zu verhindern, daß es zu Massenausfällen unter der eingeborenen und arbeitsfähigen Bevölkerung kam, so grausam dies klingen mag.

Der dritte Aspekt ist der Aspekt der Forschung an der kolonialen Peripherie. Es boten sich den Ärzten in Kamerun und in Togo Arbeitsbedingungen, wie sie im Reichsgebiet, im Kaiserreich niemals möglich gewesen wären, nämlich durch die besondere politisch unterdrückte Position der eingeborenen Bevölkerung. Ein Arzt etwa der Schlafkrankheitskommission in Togo sagt es ganz deutlich: "Versuche hier in Togo sind deshalb so besonders gut möglich, weil wir es hier in Togo mit einer willigen und vollkommen in der Hand der lokalen, nämlich der deutschen Verwaltungsbehörden befindlichen Bevölkerungsgruppe zu tun haben. Das heißt, die Leute, die Patienten, die dort interniert worden sind oder auch die Gesunden, die interniert worden sind, hatten überhaupt keine Chance, sich gegen diese Internierung zu wehren."

Autor:

Neben der Inhaftierung bereits infizierter Patienten sollte in Duala, der bedeutendsten Hafenstadt des deutschen Schutzgebietes, ein Modell der Malariaprävention entstehen. Seit 1910 - so berichtet Wolfgang Eckart - verfolgte die Kolonialverwaltung Kameruns den ehrgeizigen Plan, die Einheimischen aus ihren angestammten Wohnsitzen der Stadt zu entfernen, um sie an die Peripherie umzusiedeln.

Damit der "Haupthandels - und Verkehrsplatz Kameruns für die Europäer zu einer gesunden Tropenstadt" werde, sollte zwischen den schwarzen Vorstädten und der weißen City ein unbebauter ein Kilometer breiter cordon sanitaire angelegt werden. Diese Form der Rassenhygiene sollte die Gefahren einer Malaria-Infektion der weißen Kolonialherren eindämmen und andererseits die "störenden Einflüsse der ethnischen Gemengelage" durch eine konsequente Rassentrennung aufheben.

In einem Gutachten kommt der Kolonialarzt Philalethes Kuhn zu dem Schluß: "Das Gebaren der Schwarzen ist auf die Dauer für die Europäer schwer erträglich; daß die Frauen ihre Haarreinigung stets vor den Hütten vornehmen, ist keine dem deutsche Auge gewohnte Sitte. Der Eigengeruch vieler Neger stört das Wohlbefinden der Weißen empfindlich, wenn er sich immer wieder auf den Gängen in der Straße einstellt, und der Lärm, den der Neger zu seinem Vergnügen und Behagen von Zeit zu Zeit machen muß, kann zu so empfindlichen Belästigungen der Weißen führen, das das Nervensystem leidet."

... Dreißig Jahre später wird Dr. Kuhn seine 'heilige Pflicht' in den Dienst der nationalsozialistischen Medizin stellen und seine Erfahrungen mit der Rassentrennung bei der 'Lösung der Judenfrage' einbringen. In den Internierungslagern der Kolonialverwaltungen hat die 'Medizin ohne Menschlichkeit' begonnen.

... Im Jahre 1906 beschloß nun der zuständige preußische Minister, eine eigene Expedition zur Erforschung der Schlafkrankheit nach Deutsch-Ostafrika zu entsenden. Für die Leitung dieser wissenschaftlichen Mission konnte der Minister auf einen Gelehrten zurückgreifen, dessen Reputation international untadelig war. Er war bereits im Jahr zuvor - also 1905 - mehrere Monate in dem betroffenen Gebiet gewesen, um den Entwicklungsgang der Trypanosomen in der Überträgerfliege zu studieren. Erst die Verleihung des Nobelpreises hatte ihn veranlaßt, nach Europa zurückzukehren. Nun also brach Robert Koch in Begleitung seiner Frau und mehrerer Tropenärzte erneut auf, um die Epidemiologie und die Therapiemöglichkeiten der Seuche vor Ort zu untersuchen...

Täglich wurden mehr als tausend Patienten untersucht und mit dem arsenhaltigen Atoxylpräparat behandelt. Koch injizierte in hohen Dosen, so daß die kurzfristige klinische Besserung der Behandlungssymptome als erstaunlich gut bezeichnet werden muß. Erst als sich eine zunehmende Anzahl Kranker der Therapie infolge von Schmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühlen, Koliken und irreversiblen Erblindungen entzog, kehrte man wieder zu geringeren Dosierungen zurück. Robert Koch verschrieb sich seiner Aufgabe mit verbissenem Eifer und war vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung, sogar sonntags, pausenlos im Einsatz.

... In Berlin stellte er seine Erfahrungen in einem Forschungsbericht zusammen und entwickelte in einer Art Ferndiagnose ein Konzept für künftige Therapie- und Präventivmaßnahmen. Dazu schlug Koch vor, die Infizierten 'herauszugreifen', um sie in 'Konzentrationslagern' zusammenzuführen...

... Die Erfolgsbilanz der Schlafkrankheitsbekämpfung in Ostafrika war indes nicht sehr übereugend. Nach einer im Jahre 1911 erstellten Statistik konnte von über 11.000 Internierten nur etwa ein Fünftel geheilt werden, 1.500 Patienten waren der Seuche oder der Therapie erlegen, ca. 3.000 zur Beobachtung entlassen oder geflohen, 1.700 Kranke wurden noch im Bestand gemeldet. Die rund 2.500 verbleibenden Internierten hat die Statistik mit unbekanntem Schicksal unterschlagen...

O-Ton Prof. Eckart:

Die Versuche, die an der kolonialen Peripherie stattfanden, fanden - das war Konsens in einer ganz bestimmten akademischen Schicht der Intelligenzia des Kaiserreichs - an einer Bevölkerung statt, die als rassisch minderwertig erachtet wurde. Sie fanden außerdem im rechtlichen Freiraum... statt. In Deutschland selbst gab es allerdings auch keine einschneidende Gesetzgebung, die Menschenexperimente verhindert hätte. Nur die völlig anderen ... sozialen Bedingungen und eben auch die andere Rasseninterpretation der europäischen weißen Bevölkerung hat solche Versuche im Reichsgebiet selbst verhindert. An der kolonialen Peripherie waren sie denkbar, konstruierbar theoretisch und praktisch mit den Machtmitteln der Kolonialregierung auch durchsetzbar...

Autor:

Etwa zur selben Zeit, als das Deutsche Reich besiegt war und seine Kolonien verloren gingen, gelang es Mitarbeitern der Firma Bayer, ein hochwirksames organisches Schlafkrankheitstherapeutikum ohne Arsen oder andere Schwermetalle zu synthetisieren, das 1921 unter dem Namen 'Bayer 205' auf den Markt kam. Im Zuge des Weimarer Kolonialrevanchismus setzte sich jedoch bald eine andere Markenbezeichnung durch, mit der die Verdienste des Deutschen Reiches an seiner Kolonien gewürdigt werden sollten. Das Präparat hieß nunmehr 'Germanin'. Bei einer Expedition deutscher Ärzte wurde das Medikament zwischen 1921 und 1923 mit Unterstützung der britischen Kolonialmacht in Südafrika und Nordrhodesien erfolgreich eingesetzt.

Sprecher 1:

... Die Rassenbiologie, die Darwins 'struggle for life' aus dem Tierreich in die Gesellschaftslehre übertragen hatte, stellte das theoretische Rüstzeug für die Herrenmenschenideologie bereit. Die nationalsozialistische Machtergreifung lieferte schließlich dem in der deutschen Tropenmedizin seit dem Ende des 1. Weltkriegs virulenten Kolonialrevisionismus die historische Bühne...

Zur Aufrechterhaltung einer strikten Rassentrennung ist im Anschluß an die Nürnberger Gesetze von 1935 dann auch tatsächlich ein sogenanntes 'Kolonialblutschutzgesetz' entworfen worden. Die Forschungen der deutschen Seuchenhygieniker standen indes nicht nur im Zeichen eines neuen Kolonialprogramms, sie stellten sich auch aktiv in den Dienst der Kriegsvorbereitung. Dabei konnte man direkt auf die Praxis der Menschenversuche aus der Epoche der deutschen Kolonialmedizin vor dem 1. Weltkrieg zurückgreifen. Die für die Durchführung von Humanexperimenten erforderliche Konzentration von Menschen in Lagern hatte man mittlerweile auf heimischem Terrain organisiert.

Sprecher 2:

"Bei den tropenmedizinischen Experimenten, die in Heil- und Pflegeanstalten, in Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagem durchgeführt wurden, galt ein besonderes Augenmerk der Erprobung von Malariapräparaten, die mit der Ausweitung des deutschen Aggressionskrieges auf dem Balkan im Frühjahr 1941 in großer Menge benötigt wurden... Menschenversuche mit jenen Präparaten Atebrin, Plasmochin , die von den Bayerwerken mit dem Ziel einer Monopolstel!ung auf diesem Sektor produziert wurden, hatten 1933 bereits Tradition...

Nach 1933 widmete sich, zunächst in italienischen Heilanstalten, auch der ehemalige Kolonialarzt Claus Schilling der Malariaforschung mit ganzem Elan. Auf besonders bestialische Weise hat Schilling seine Forschungen in den frühen vierziger Jahren dann in deutschen Konzentrationslagem, vornehmlich in Dachau, fortgesetzt. Auf der Suche nach einem Impfstoff gegen die Malaria infizierte Schilling seine Probanden immer wieder, auch mit der tödlichen Malaria tropica, um sie dann mit überhöhten Atebrin- und Plasmochindosen, mit Pyramidon und Neosalvarsan zu traktieren, ihr Serum zu gewinnen, es wiederum mit Parasiten zu mischen und dann zu reinjizieren. Eine nicht mehr genau zu ermittelnde Zahl der 'Probanden' starb im Verlauf dieser als kriegswichtig eingestuften Versuche..."

Autor:

Die große Mehrheit der an den Verbrechen der NS-Medizin beteiligten Ärzte hatte sich schon seit den zehner und zwanziger Jahren mit den Ideen der Rassenhygiene, der Eugenik und der Euthanasie beschäftigt...

O- Ton Prof. Eckart:

Im Vorwort zu der Dokumentation 'Medizin ohne Menschlichkeit', die 1949 erstmals erschien, schreibt Alexander Mitscherlich, der den Band mit Fred Mielke herausgegeben hat: "Es ist nicht genug, nur zu erschrecken über das, was geschehen konnte, sondern immer zugleich die Wahrheit in sich einzulassen, daß es von Menschen getan wurde, die nicht als Monstren zur Welt kamen, die vielmehr oft in ziemlich unauffälliger Weise mit geläufiger Begabung es zu Fachkenntnissen und begehrten Stellungen in unserer Gesellschaft brachten, ehe sie die erworbenen Fähigkeiten der Menschlichkeit narkotisch lähmten... Es geht um ein Geschehen, das uns betrifft, welches ungezählte Opfer gefordert hat, und es geht um die peinigende Frage, wieweit wir das Ungeheuerliche mit hervorgebracht haben. Um diese Frage zu entscheiden, die uns von der Geschichte für immer gestellt wird, muß man zuerst wissen, was geschah. Man muß die Stellen kennen, an denen sich das menschliche Verhalten zu Orgien der Wut, des Erniedrigen, des Zertretens von Mitmenschen verdichtete, und man muß erforschen, wie diese Stellen durch ein Aderngeflecht und Kapillarsystem Kräfte aus scheinbar entlegenen, aber doch unsichtbar verbundenen Bereichen zuflossen und wie von dort überallhin vergiftete Stoffe zurücksickerten."

Die Spur von den Menschenversuchen in den Konzentrationslagem der Nationalsozialisten führt zurück zu den Humanexperimenten der Kolonialmedizin des Kaiserreichs.

Mit freundlicher Genehmigung von Stephan Krass und Radio Bremen

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