9.1.2012
 
Museale Schattenwelten
 
Mit zahlreichen stereotypen Exponaten und Texten verfehlt die Ausstellung 'Afrikaner in Hamburg' sein selbsterklärtes Ziel, "Begegnungen mit kultureller Vielfalt" zu inszenieren
 
Museum für Völkerkunde Hamburg
(noch bis 15.1.2012)
 
In dem Artikel 'Einseitige Blicke' wirft die taz einen kritischen Blick auf die Ausstellung 'Afrikaner in Hamburg. Begegnung mit kultureller Vielfalt' im Völkerkundemuseum. Die Hauptkritikpunkte der Zeitung: Rassismus und die Illegalisierung von EinwandererInnen werden systematisch ausgeklammert und finden - wie versteckt und verschämt - nur in einem Separee namens 'Schattenwelten' Berücksichtigung.
 
In einem interessanten und an sich vielversprechenden Projektmodell interviewten Radio Funkstark und Schulklassen, die von angehenden JournalistInnen gecoacht wurden, in Hamburg ansässige AfrikanerInnen zu Themen wie Kochen, Religion, Kultur, Sport, Familie, Beruf. Die Ausstellung wolle eigentlich "nur das Positive in den Vordergrund" stellen, so ein Tafeltext, was dann heiter-multikulturell, zuweilen reichlich folkloristisch daher kommt. Leider gehen auch die ausgestellten künstlerischen Arbeiten in einem Mix zwischen Afrika-Souvenir und Afroshop-Lebensmittel unter.
 
Die taz bemerkt zurecht, dass die im Raum angesprochenen Lebensbereiche der
hier beheimateten AfrikanerInnen keinesfalls vom strukturellen Rassismus verschont bleiben. Dies gilt für den Fußball ebenso wie für interkulturelle
Partnerbeziehungen oder für das Berufsleben. "Prekäre Lebensbedingungen wie Rassismus oder Illegalisierung werden in den meisten Segmenten der
Ausstellung nicht mitbedacht", so das taz-Resümee, sie ist geprägt von "Verallgemeinerungen, die die Dynamik der individuellen Lebensrealitäten ignorieren und Vorurteile schüren, statt sie zu beseitigen".
 
Wo das Thema Gender/Geschlechterrollen überhaupt auftaucht, so wäre zu ergänzen, werden weitere Stereotype konstruiert. So müssen sich die
BesucherInnen solche bedenklichen Ausstellungstexte gefallen lassen: "Die meisten Afroshops dienen den Männern als Ort für Diskussionen über
die politische Lage in den jeweiligen Heimatländern. Währenddessen lassen sich die Damen pflegen und tauschen sich über die neuesten Ereignisse und
Probleme in der Familie und im Bekanntenkreis aus."
 
Der Ausstellungsteil '400 Jahre Geschichte der AfrikanerInnen in Hamburg - eine Spurensuche' lässt afrodeutsche Biographien oder Zeitzeugenberichte
erwarten - doch weit gefehlt. Verbannt in die hinterste Ecke der Gesamtpräsentation werden zahlreiche kolonialrassistische Objekte und Bilder, teilweise mit ihren originalen Untertiteln, zur Schau gestellt. Kommentarlos, als wären diese bloß harmlose Medienfiguren, die nicht weiter kontextualisiert werden müssten, wird den BesucherInnen der 'Ewige Diener' (Visitenkartenablage in Form eines Afrikaners), eine Skulptur des Werbe-'Tabak-N.', ein Puzzle-Spiel namens 'Zehn Kleine N.lein', Postkarten der menschenverachtenden 'Völkerschauen' Carl Hagenbecks u.v.m. zugemutet. Neben diesem Sammelsurium herabwürdigender Exponate finden sich Jutesäcke voller Kaffee- und Kakaobohnen: Will hier Hamburg seine vermeintliche 'Weltgeltung' als führender Importeur von 'Kolonialwaren' noch immer bekräftigen?
 
Auf dem dazugehörigen Tafeltext wird berichtet, dass sich Heinrich Carl Schimmelmann als einer der maßgeblichen europäischen Sklavenhändler
"hervorgetan" hätte und dass versklavte AfrikanerInnen “auch an der Elbe zum Modeartikel" wurden. Die Verfolgung von AfrikanerInnen im Nationalsozialismus wird beschönigend damit kommentiert, dass ihr Leben in Hamburg zwar "schwierig, aber nicht unmöglich" gewesen sei. Hamburgs gewichtiger Anteil an der Geschichte der Sklaverei, des Kolonialismus und der NS-Verbrechen wird dabei in zynischer Weise herunter gespielt. Im Ausstellungstext wird zudem eine verheißungsvolle Stadt Hamburg heraufbeschworen, die vorgibt, MigrantInnen aus Afrika "offenen Zugang zur Bildung", "wirtschaftliche Unabhängigkeit", "Familienzusammenführung", "Schutz vor Verfolgung" und "Staatsbürgerschaft" zu ermöglichen.
 
Ohenenana Bonsu Kyeretwie von der Supervisionsgruppe, in der auch AfrikanerInnen und Afrodeutsche mitgearbeitet haben, wünscht sich nun
"konstruktive Kritik seitens der Besucher". In der Ausstellungsdokumentation berichtet er: "Die Bereitschaft und Motivation war bei der gemeinsamen Auswahl der Themenbereiche am Anfang des Projektes hoch. Bestimmte Themen stießen jedoch bei einigen Vertretern der Supervisionsgruppe auf Ablehnung, weil diese in der öffentlichen Meinung leicht zum Klischee werden könnten. Hier war ein Kompromiss gefragt."
 
So ist die vom Museum für Völkerkunde erstellte Ausstellung 'Afrikaner in Hamburg', schreibt die taz, "geprägt von der Ignoranz, die sich durch die deutsche Gesellschaft zieht." Tatsächlich reproduziert sie selbst Stereotype und Negativbilder - die sie doch eigentlich gar nicht zeigen wollte.
 
 
HMJokinen & C. Kopp
Arbeitskreis Hamburg Postkolonial
Initiative freedom roads!
 
 
 

Ausstellung "Afrikaner in Hamburg" im Völkerkundemuseum: Kolonial-rassistische Exponate ohne Kontextualisierung

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