Denkmal-Montage 26.02.2010
Jokinen
 
 
30.1.2013
 
Hamburger Handelsherren - an der Spitze Adolph Woermann - verstanden es, sich ihren Bismarck zu formen und den Einsatz der Reichsmacht ('Schutztruppe') für ihre kolonialwirtschaftlichen Interessen zu sichern, besonders in Afrika.
 
Die Kolonialkaufmänner waren häufig zu Gast in Bismarcks Aumühler Schloss nahe Hamburg. Den Reedern, Minen- und Plantagenbesitzern machten die antikolonialen Aufstände zu schaffen. Darum drängten sie den Reichskanzler, Kolonien zu schaffen und damit die privaten Pfründe der Kaufleute in Afrika und anderswo zu sichern.
 
Verdiente der Reichskanzler auch selbst an den Kolonien? Etwa 60 % der Ausfuhren in die sog. 'Schutzgebiete' bestand aus Schnaps (1880-1889 ca. 77.000 Tonnen jährlich). Vor Kritikern im Reichstag verteidigte der Kaufmann Woermann den exzessiven Alkoholexport: "Ich bin ... der Meinung, dass der Verkauf von Spirituosen nicht günstig auf die Neger wirkt... Wollen wir aber heute ... aus reiner Liebe zu den Negern den Schnapshandel nach Afrika verbieten, so würden wir einen wichtigen Zweig des deutschen Exporthandels bedeutend schädigen... Ich meine, dass es da, wo man Zivilisation schaffen will, hier und da eines scharfen Reizmittels bedarf..." Schnaps wurde in vielen Regionen Afrikas allgemeines Zahlungsmittel. Die Folge war eine verheerende Alkoholsucht in weiten Teilen der Bevölkerung.
 
Die ostelbischen Junker - unter ihnen Bismarck - bauten auf ihren Landgütern Kartoffeln an, aus denen der Billigfusel für den Export - im hiesigen Volksmund "Negertod" - gebrannt wurde. Der Historiker Klaus J. Bade geht davon aus, dass der oberste Staatsdiener am kolonialen Schnapsexport kräftig mit verdiente. "Schon 1876 erkannte Bismarck, der selbst vier Brennereien betrieb, 'die hohe wirtschaftliche Bedeutung, welche die Spirituosenindustrie für einen großen Teil Deutschlands hat, in vollstem Maße an' und versicherte, er werde 'auch in Zukunft jede Gelegenheit ergreifen', sie zu fördern." Bei der Berliner Afrika-Konferenz untersagte der Reichskanzler seiner Delegation "strikt, für eine Kontrolle der Spirituoseneinfuhr zu votieren". "Noch 1889/90 wußte Bismarck auf der Brüsseler Antisklavereikonferenz mit Erfolg einschneidende Zollerhöhungen für den westafrikanischen Branntweinimport zu verhindern."1) Bismarck produzierte, Woermann fuhr aus und lieferte die Destillerien dazu. Die über Jahre ausgeübte Kritik der Missionare sowie der Linksparteien im Reichstag lief ins Leere.
 
1884/1885 lud Bismarck zur Afrika-Konferenz in Berlin ein.2) Dabei wurde der afrikanische Kontinent unter den europäischen Großmächten aufgeteilt ('Scramble for Africa'). Adolph Woermann arbeitete während der Konferenz als 'Berater'. AfrikanerInnen waren nicht eingeladen.
 
Unmittelbar nach der Konferenz entsandte der Reichskanzler die 'Schutztruppe', die den 'kolonialen Frieden' wiederherstellen sollte. Woermann übernahm vom Hamburger Hafen aus den Truppentransport, dabei verlangte der gewiefte Reeder überhöhte Fahrtkosten. In Afrika half die sog. Kanonenbootpolitik - Kriegschiffe als beweglich einsetzbare Drohkulisse - gegen den antikolonialen Widerstand. Auf 'Strafexpeditionen' und in Kolonialkriegen zerschlug die 'Schutztruppe' schließlich den Freiheitskampf der Kolonisierten. Hunderttausende AfrikanerInnen - auch Zivilbevölkerung - wurden dabei getötet. Die Hamburger Lobbyisten bedankten sich beim Reichskanzler und sammelten kurzerhand 500.000 Reichsmark, um das größte Bismarck-Denkmal Deutschlands zu errichten.
 
Soll das heute marode Sinnbild der preussischen Weltmacht und insbesondere der Hamburgischen Kolonialwirtschaft mit mehreren Millionen öffentlicher Förderung restauriert werden? Oder kann der Mythos dekonstruiert werden? Welche Form wäre in unseren Tagen angemessen? Der zerstückelte Bismarck in einem Steinhaufen?
 
 
 
 
 
 
1) Klaus J. Bade: Friedrich Fabri und der Imperialismus der Bismarckzeit. Revolution - Depression - Expansion, Freiburg i.B., 1975/2000 www.imis-uni-osnabrueck.de/BadeFabri.pdf
 
2) Zu der Kampagne '125 Jahre Berliner Afrika-Konferenz': www.berliner-afrika-konferenz.de
 
 

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