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 Rubrik für Dokus, Filmdiskurs, Literatur and more
Autor: StandArt° 
Datum:   

Österreicher gewinnt europäischen Dokumentarfilmpreis 2004
"Darwin's Nightmare" von Hubert Sauper ist ein verstörendes Porträt der afrikanische Region rund um den Victoriasee

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"Darwin's Nightmare"
  Berlin - Der österreichische Regisseur Hubert Sauper hat mit seinem Streifen "Darwin's Nightmare" den europäischen Dokumentarfilmpreis gewonnen. Die nicht dotierte Auszeichnung wird von der Europäischen Filmakademie (Berlin) gemeinsam mit dem europäischen Kultursender Arte vergeben. Die beim diesjährigen Filmfestival in Venedig uraufgeführte österreichisch-französisch-belgische Koproduktion handelt, wie die Filmakademie am Montag mitteilte, "von den Menschen, von der Globalisierung und von Fischen" am Beispiel der Lebensbedingungen am Victoriasee in Tansania und Kenia.

Waffenschmuggel

Der 1966 in Tirol geborene Sauper hat in Wien und Paris Filmregie studiert und lebt seit zehn Jahren in Frankreich. Bekannt wurde er mit der Dokumentation "Kisangani Diary" (1998), in der es um Flüchtlinge aus Ruanda geht. "Darwin's Nightmare" ist ein verstörendes Porträt der afrikanische Region rund um den Victoriasee, in der Waffenschmuggel eine wichtige Rolle spielt. Er verzichtet auf einen erklärenden Kommentar und arbeitet mit "blanken Bildern", wie der Regisseur es im Sommer im Gespräch mit der APA formulierte. Sechs Monate lebte Sauper am Victoriasee und recherchierte für seinen Film. Statt einfache Lösungen anzubieten, versucht Sauper das "Gesicht des Dilemmas in seiner Komplexität" einzufangen.

Bereist in Venedig ausgezeichnet

Der Streifen wurde bereits in Venedig mit den Preis "Europa Cinemas - Venice Days Label" ausgezeichnet und erhielt vor wenigen Tagen bei der Viennale den Wiener Filmpreis. Die Verleihung des europäischen Dokumentarfilmpreises findet zusammen mit den Auszeichnungen für den besten europäischen Spielfilm und die besten Darsteller am 11. Dezember in Barcelona statt. (APA/dpa)

DARWIN'S NIGHTMARE
  
Seit auf Anordnung der britischen Kolonialverwaltung der Nil-Barsch im Victoriasee in Tansania ausgesetzt wurde, ist das ökologische Gleichgewicht am Kippen. Und obwohl täglich Tonnen von teuren Nilbarsch-Filets exportiert werden, haben sich die Lebensbedinungen für die Bewohner radikal verschlechtert. Durch jahrelange, gefährliche Recherchen und Dreharbeiten gelang es Sauper, die gespenstischen Auswirkungen einseitigen Profits ebenso ungeschönt darzustellen wie die Weigerung der Exportdestination EU und der lokalen Regierung, diese Konsequenzen wahrzunehmen.

Zunächst geht es (nur) um einen großen Fisch: den Nil- beziehungsweise Viktoriabarsch. Er wurde in afrikanischen Gewässern ausgesetzt und behauptete sich am Ende der Nahrungskette. Der Raubfisch gibt in Darwins Nightmare ein treffendes Bild ab für die Mechanismen im Verhältniss zwischen Erster und Dritter Welt: In Tansania ist der Barsch nämlich längst zur wichtigsten Einkommensquelle geworden. Täglich landen hier Flugzeuge, um Fischfilets in westliche Industrieländer zu exportieren; für die heimische Bevölkerung bleiben nur Fischköpfe zurück, die von Müllhalden aufgelesen und selbst madendurchsetzt noch verzehrt werden.

Sauper setzt nüchtern und minutiös mehrere Ebenen miteinander in Beziehung, er zeigt die Wechselwirkungen einer globalen Ökonomie: Mittels Interviews und eindringlicher Szenen, in denen das Umfeld des vermeintlichen Fisch-Eldorados erkundet wird, demonstriert er, dass von der Fischproduktion nur wenige profitieren, während Prostitution und Drogenkonsum auf den Straßen immer mehr zunehmen.
Den schockierendsten Einblick in diese fragwürdigen ökonomischen Beziehungen hebt sich Sauper bis zum Ende auf: Er provoziert die Aussage, dass die russischen Flugzeuge in Afrika nicht ohne Ladung ankommen. Schließlich spricht es ein Pilot dann aus: Er habe meist Waffen an Bord. Nicht nur der See ist in Tansania aus dem Gleichgewicht, sondern das ganze Land. (Dominik Kamalzadeh)
HUBERT  SAUPER
Geboren 1966 in Kitzbühel, Tirol. Studium der Filmregie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien und an der Universität Paris VIII. Filme: Blasi (1990, KF), On the Road with Emil (1993, KF), So I Sleepwalk in Broad Daylight (1994), Lomographers Moscow (1995; KF), Kisangani Diary (1997), Alone with Our Stories Seules avec nos histoires (2000). Lebt in Paris.
http://www.viennale.at/deutsch/programm/filme/1385.shtml

 
 Re: Rubrik für Dokus, Filmdiskurs, Literatur and more
Autor: Wechselbad 
Datum:   

(...)
»Weihnachten 1940« stand vorn im Buch. Ein Geschenk meines Großvaters an meinen Vater. Der alte Grill konnte es nie verwinden, dass dem Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg die Kolonien weggenommen worden waren. Er schimpfte wie viele seiner Nazi-Genossen in der Weimarer Zeit über den »Schandfrieden von Versailles« und über die »Kolonialschuldlüge«. Zurück die deutschen Ostgebiete! Wir wollen unsere Kolonien wiederhaben! Der Revisionismus sollte auch die nationalsozialistische Barbarei überdauern, und so fragte mein Vater mich, wie ihn sein Vater gefragt hatte: Welcher ist der höchste Berg Deutschlands? Die Zugspitze? I wo. Der Großglockner? Auch nicht. Es ist der Kilimandscharo in Deutsch-Ostafrika, und ich lernte, seine beiden Gipfel, den Kibo und den Mawenzi, zu benennen. Winnetou, der edle Apache, war der größte Held meiner Kindheit. Aber Afrika, das lockte noch viel mehr als das Amerika der Indianer. Der Kongo! Timbuktu! Sansibar! Die sagenumwobenen Mondberge! Das waren die Projektionsflächen allen kindlichen Fernwehs, die Inbegriffe der Fremde, der Urnatur, der exotischen Gegenwelt. Und geradezu zwangsläufig sollte mich im Jahre 1980 die erste Reise nach Afrika in das Land unter dem Kilimandscharo führen. Meine Motive waren freilich ganz andere als die der Vorväter: Ein bisschen Abenteuer und viel Solidarität mit den »Verdammten dieser Erde«.

Aus dem Staat, der unterdessen Tansania hieß, wurden revolutionäre Dinge berichtet. Wir hörten von einem afrikanischen Sozialismus, von einem Dritten Weg zwischen dem repressiven Sowjetkommunismus und dem räuberischen Kapitalismus. Wir studierten die Texte von Präsident Julius Nyerere, der ehrfürchtig mzee genannt wurde, großer Lehrer. Die Schlüsselbegriffe seiner Philosophie hatten den Klang von politischen Mantras: Self reliance, mit eigenen Kräften die Unterentwicklung überwinden, und ujamaa, gemeinsam leben und arbeiten, eine politische Maxime, die die Traditionen der Dorfgemeinschaft mit einem modernen Genossenschaftswesen verband. Dort unten brannte uhuru, die Fackel der Freiheit, dort mussten wir hin.
(...)
Bitte weiterlesen=
http://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=7833htm

 
 Re: Rubrik für Dokus, Filmdiskurs, Literatur and more
Autor: Kontorhaus Hamburg 
Datum:   

Koloniales Hamburg

Mpundo Akwa schaut mit festem Blick von dem alten Foto herab. Er lebte von 1902 bis 1911 in Hamburg und im damals holsteinischen Altona. Sein Vater, King Akwa, und King Bel, die beiden "Kings of Cameroon" hatten 1884 die so genannten "Schutzverträge" mit dem Deutschen Reich unterschrieben. Wie viele seiner Landsleute aus den deutschen Kolonien ging auch Mpundo Akwa erst in Hamburg zur Schule und machte hier später als "Ausbildungsemigrant" eine Lehre. "Mpundo hat sich offen gegen Rassismus gewehrt", sagt der Historiker Heiko Möhle. "Er hat in erster Instanz einen Prozess gegen Kapitän Liesemann wegen dessen rassistischer Äußerungen gewonnen. Und er hat eine Zeitschrift zur Völkerverständigung herausgegeben."

Deren Titelblatt, Zeitungsausschnitte und Fotos hängen derzeit im Schaufenster des St. Pauli Archivs. Collagenartig hat Heiko Möhle seine Ausstellung "AfrikanerInnen im kolonialen Hamburg" gestaltet. Die Schau erstreckt sich über das eigene Schaufenster hinaus über das der benachbarten Eisdiele im Winterschlaf, die Fenster im Erdgeschoss des leer stehenden Hauses gegenüber und geht an den Wänden im Archiv weiter. "Anlass waren die Hereroaufstände im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor 100 Jahren," erzählt Heiko Möhle. "Ich habe mich gefragt, unter welchen Bedingungen schwarze Afrikaner aus den deutschen Kolonien zu dieser Zeit hier gelebt haben."

In die Handelsmetropole Hamburg kamen vergleichsweise viele junge Männer. Sie machten eine Ausbildung und arbeiteten später für die Kolonialherren in ihren Heimatländern. Andere gelangten als Seeleute oder Schausteller nach Hamburg und Holstein. "Oder sie nahmen an den so genannten Völkerschauen in Hagenbecks Tierpark teil", erklärt der Historiker und zeigt auf eine alte Postkarte. "Tropenzauber um die Ecke", so deren Titel. Eine Gruppe schwarzer, lächelnder Menschen ist zu sehen: eine exotische Belustigungsnummer für die Tierparkbesucher. "Solange die Leute im Schausteller-, Gastronomie- und Unterhaltungsgewerbe arbeiteten, waren sie als Exoten willkommen", sagt Heiko Möhle. Eine andere Karte zeigt das Stereotyp vom "menschenfressenden Schwarzen" auf dem Hamburger Dom, anderswo brüstet sich das "Kontorhaus Bauer" in Rothenburgsort, ein "geräumiges Restaurant mit Negerbedienung" zu sein.

Auch besser betuchte Afrikaner hatten es schwer. Sie wurden als "Hosennigger" beschimpft und oft Ziel rassistischer Attacken. Diese verschärften sich mit dem Naziregime ab 1933: Berufsverbot, Entzug der Staatsbürgerschaft und KZ blühten den MigrantInnen und deren Nachkommen. "

 
 Rubrik für Dokus, Filmdiskurs, Literatur u.a.
Autor: Enzian 
Datum:   

Literatur:

Thomas Pynchon: "V.", Roman, S. 271 ff.
Pynchon beschreibt eindringlich die Beziehung zwischen einem Kolonialoffizier und der Hererofrau Sarah, die im Konzentrationslager auf den Haifischinseln interniert ist.

Thomas Pynchon: "Die Enden der Parabel", Roman
Deutschland im Jahre Null, 1945. Ein "Schwarzkommando" irrt durch die Lande, eine versprengte Truppe ehemaliger Hererokämpfer in skurrilen Uniformen.

Andreas Selmeci, Dag Henrichsen: "Das Schwarzkommando. Thomas Pynchon und die Geschichte der Herero"

"Der Tag, an dem das Erdschwein aus seinem Loch kommt, ist nicht der Tag, an dem der Jäger aus seinem Hause kommt." Herero-Sprichwort

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